Eine zusätzliche ebene trauma interview mit dr. juliane solf über psychosoziale hilfe für holocaust-überlebende

Dr. Juliane Solf ist Geschäftsführerin von AMCHA Deutschland e.V., einer Organisationen, die Netzwerk Israel mitgegründet hat. Im Interview erklärt sie, warum Holocaust-Überlebende nach dem 7. Oktober besondere Unterstützung benötigen und wie AMCHA hierzu einen wichtigen Beitrag leistet.

Vor dem Hintergrund der deutschen Verantwortung für das Menschheitsverbrechen des Holocausts, ist es uns ein besonderes Anliegen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Holocaust-Überlebende jede nötige Unterstützung erhalten, um in Würde und ohne Not zu leben. Daher steht die aktuelle Notlage von Überlebenden in Israel im Zentrum der ersten Kampagne unseres Netzwerkes. Wir wollen über die Folgen des Terrors vom 7. Oktober für Holocaust-Überlebende aufklären. Darüber hinaus wollen wir eine praktische Solidarität zeigen und Spenden sammeln, die maßgeschneiderte psychosoziale Hilfsangebote für die Betreffenden ermöglichen. Mehr Informationen zu dem Projekt und zu Spendenmöglichkeiten hier.

Wie unterstützt AMCHA Shoah-Überlebende in Israel?

AMCHA Deutschland unterstützt seit 35 Jahren in Israel jedes Jahr tausende Überlebende der Shoah und ihre Familien in der Bearbeitung ihrer schweren Traumata in Folge von Verfolgung, Folter und Genozid. Das Ziel von AMCHA ist eine möglichst umfassende Versorgung, die sich nicht allein auf klinische Behandlung reduzieren lässt sondern auch Begleitung und Stabilisierung im Alltag umfasst, zumal historische Traumata, die durch massive Menschenrechtsverletzungen im sozialen Kontext zu verorten sind, immer in Verbindung zu gegenwärtigen Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen stehen und als solche fortgeschrieben werden. Die Vergangenheit ist daher Teil der Gegenwart und die Gegenwart Teil der Vergangenheit. Die momentane Lage und der stark ansteigende Bedarf an psychosozialer Versorgung in Israel seit den Terroranschlägen vom 7. Oktober zeigen diese Dynamik aufs Neue.

Ein älterer Mann steht an der Haustür und begrüßt vier jüngere Menschen, die gerade zu Besuch kommen

Helena Schätzle, AMCHA Deutschland.

Wie hat der 7. Oktober die Arbeit von AMCHA in Israel verändert?

Nach den Anschlägen vom 7. Oktober 2023 ist die psychosoziale Notlage in Israel so groß wie selten zuvor und die Bedeutung von Traumata hat eine zusätzliche Ebene gewonnen. Angesichts dieser Notlage stellt AMCHA seine Expertise in Form von Kriseninterventionen jetzt allen Betroffenen (von Traumata zur Verfügung. Viel mehr Menschen melden bei AMCHA Bedarf an Therapie, da die traumatische Erinnerung an die Gewalttaten jenes Tages wie eine sich wiederholende Erfahrung von Kontrollverlust und existentieller Hilflosigkeit erlebt wird. Allein in der letzten Maiwoche 2024 erhielt AMCHA Israel 200 neue Anfragen nach Therapieplätzen.

 

In der Therapie können die Betroffenen lernen, wieder Kontrolle zu gewinnen, sich trotz der Erinnerung entscheiden zu können, wie man mit ihr umgehen und leben kann. Zentral für den psychosozialen Ansatz ist neben der professionellen psychotherapeutischen Unterstützung, die durch die jetzige Situation vermehrt zu Hause stattfinden muss, die Tagesablauf-Stabilisierung der Betroffenen durch die Hinzunahme Ehrenamtlicher. 

Wo ist der Bedarf in der Unterstützung von Shoah-Überlebenden gerade besonders hoch?

Besuche bei oft einsamen und älteren Überlebenden der Shoah zu Hause, in Altenheimen, Krankenhäusern oder Hospizen – und auch bei den vielen aus dem Norden und Süden evakuierten Menschen – stellen aktuell eine wichtige Säule der psychosozialen Unterstützung für Überlebende der Shoah durch AMCHA in Israel dar. Denn seit dem 7. Oktober 2023 trauen sich viele ältere Menschen nicht mehr, allein das Haus zu verlassen. Gerade außerhalb des Ballungsraums rund um Tel Aviv ist es schwierig, den betroffenen Überlebenden die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Sie sollen durch ein Ehrenamtsnetzwerk intensiv zu Hause betreut werden und zu Gemeinschaftsaktivitäten abgeholt werden können. Unser Ziel ist es, einen Fahrdienst im Süden und Norden sowie in Zentralisrael aufzubauen, um die älteren Menschen in die AMCHA Zentren fahren zu können, beziehungsweise dem erhöhten Bedarf an home treatments durch Therapeut*innen, der seit dem 7. Oktober extrem gestiegen ist, gerecht werden zu können. 

 

Viele Überlebende brauchen außerdem Unterstützung, ihren Alltag leben zu können und Therapie online wahrnehmen zu können. Sie brauchen jemanden, der ihnen hilft, den Computer zu bedienen, einzukaufen oder einfach ein paar freundliche Worte zu wechseln. Oftmals sind die Ehrenamtlichen die einzigen Menschen, die die Überlebenden in der Woche sehen. Der Bedarf unter Shoah-Überlebenden ist enorm, darum sind wir auf das Engagement von Ehrenamtlichen angewiesen. Gleichzeitig brauchen alle zusätzlichen Koordinatoren und Ehrenamtlichen Training und Supervision – besonders auch im Umgang mit Retraumatisierung nach dem 7. Oktober 2023.

Wo sie unterstützen können

Unsere Projekte

AMCHA Deutschland e.V./ Helena Schätzle,
all rights reserved
Psychosoziale Hilfe für Shoa-Überlebende

Spenden bisher:

5.347,00

EUR

NIF Israel, 2023,
all rights reserved
Jüdisch-Arabisches Nothilfezentrum in Rahat

Spenden bisher:

1.755,00

EUR

Yossi Zamir, Shatil Stock, 2023,
all rights reserved
Hilfe für Überlebende des Terrors und Gemeinden unter Beschuss

Spenden bisher:

1.050,00

EUR